Ausfall wegen Verbissbelastung?

Im Bezirk Landeck in Tirol setzt man in Zukunft vermehrt auf die Tanne. Die Tanne ist zwar kein Wunderbaum, aber im Klimawandel bietet sie durchaus gute Eigenschaften für stabile und resiliente Mischwälder. Wenn es mit der Verbissbelastung so weitergeht, fällt die Weißtanne als potentiell wichtige Klimabaumart auf großen Fläche aus. Das können wir nicht akzeptieren!

Auf der Fachtagung im Zeichen der Tanne Anfang Oktober in Fließ bei Landeck stellte Univ. Prof. Dr. Harald Vacik vom Institut für Waldbau von der Universität für Bodenkultur in seinem Einführungsreferat die Baumart Weißtanne speziell im Hinblick auf die Rolle im Klimawandel vor. Hier ein paar Faktoren daraus:

  • als Schattbaumart ermöglicht sie vertikale stabile Waldstrukturen,
  • die Reaktionsfähigkeit bis ins hohe Alter ermöglicht eine Erhöhung der Resilienz,
  • Pfahlwurzeln in der Jugend , später Herzwurzelsystem mit Senkern und Seitenwurzeln bilden ein tiefes Wurzelsystem , sie hat eine hohe Wurzelenergie und wurzelt auch auf staunassen Böden tief,
  • Bei ausreichender Wasserversorgung sind Nährstoffansprüche nicht besonders hoch, optimal sind pH-Werte im stark sauren bis schwach sauren Bereich,
  • Jahres- Mitteltemperatur nicht unter 5°C – Niederschlag 500 – 1500 mm/a,
    sie ist winterfrosthart, im Vergleich zu anderen Nadelhölzer etwas mehr spätfrostgefährdet.

Chancen im Klimawandel

  • Die Trockentoleranz der Weißtanne wurde in zahlreichen Studien untersucht (Wurzelsystem, Herkünfte, weite Standortsamplitude),
  • Reagiert auf Trockenheit mit Reduktion des Höhenwachstums („Storchennestkrone“), Abwurf der Nadeln, Ausfall einzelner Jahrringe,
  • Tiefes Wurzelsystem macht Weißtanne weniger anfällig für Windwurf,
  • Hohe Schattentoleranz erlaubt den Aufbau resilienter Waldbestände durch Vorausverjüngung (damit Wuchsvorsprung insbesondere zur Buche gegeben),
  • genetische Vielfalt ist Grundlage für zukünftige Anpassung, dort wo verschiedene Rückwanderungswege zusammen kommen ist eine erhöhte genetische Diversität zu erwarten,
  • etwas höheres Potenzial zur Kohlenstoffspeicherung als bei der Fichte (Schaftform geradschaftiger als bei der Fichte, auch Qualitätsmerkmal),
  • Weißtanne ist für günstige Erhaltungszustände vieler FFH-Lebensraumtypen unentbehrlich (25 verschiedene Käferarten leben bevorzugt an Weißtanne, 10 Arten von Großschmetterlingen; Tannen-Glasflügler, ein Kleinschmetterling nur auf der Tanne (monophag).


„Landecker Trockentanne“
Entscheiden für die Zukunft ist die Auswahl der richtigen Provenienzen. Herkunftsversuche und genetische Analysen spielen bei der Auswahl für optimales Wuchs- und Anpassungsverhalten eine wichtige Rolle. Hier kommt ein lokaler isolierter Tannenbestand in Niedergallmig bei Landeck ins Spiel. Dieser wurde genetisch untersucht und die Eignung für die Zukunft abgeklärt. Es zeigt sich, dass Herkünfte aus niederschlagsarmen Wuchsgebieten in den Alpen eine gute Alternative zu den weit südlich gelegenen Saatgutquellen darstellt. Mit einem Jahresniederschlag von 600 bis 700 mm in 1.300 Meter Seehöhe handelt es sich in Niedergallmig um ein sehr trockenes kontinentales Gebirgsinnenklima (trockensten Bereiche des österreichischen Alpenraums). Starke Temperaturschwankungen kennzeichnen das Gebiet im Bezirk Landeck. Erfreulich ist, dass es keine Anzeichen gibt, für eine reduzierte Diversität bei den inneralpinen Tannenbeständen. Nach DI Jonathan Feichter vom Genomforschungsinstitut des Bundesamtes für Wald wird die lokale Anpassung durch die Interaktion vieler Gene gesteuert. Als limitierender Faktor wirkt die Niederschlagmenge in der Selektion. Für den Erhalt der Saatgutbestände in Niedergallmig wird die Sicherung einer großflächigen natürlichen Verjüngung als sehr wichtig angesehen. Auch hier stellt sich wieder die Frage nach einem funktionierenden Wildmanagement.


Es wird auf Tanne als Hauptbaumart gesetzt
Bezirksforsttechniker Dr. Michael Knabl setzt auf die Weißtanne als Zukunftsbaumart. Nach der neuen dynamischen Waldkartierung werden im Bezirk Landeck etwa 15.000 Hektar als potentielle Weißtannenstandorte für die Zukunft ausgewiesen. In diese Wälder soll die Tanne als Hauptbaumart eingebracht werden. Dabei werden die Provenienzen aus Niedergallmig verwendet. Mit dem Landesforstgarten in Tirol steht ein eigener Pflanzgarten, der die lokale Provenienzen entsprechend fachgerecht aufbereiten und produzieren kann, zur Verfügung. Zum Schutz und zur Veranschaulichung der Wildverbissproblematik wird mit Zäunen gearbeitet. Mittelfristig soll auch das Wildmanagement so angepasst werden, dass ein tragbarer Wildeinfluss auf der Fläche vorhanden ist. Mit „Klimainseln“ werden jetzt Ausgangspunkte für klimafitten Wäldern der Zukunft geschaffen. Heutige Fichten- und Kiefernwälder sollen in Wälder mit Tanne, Eiche und weiteren Mischbaumarten umgewandelt werden. Das ergibt für die nächsten Jahre einen großen Organisations- und Arbeitsaufwand mit der Produktion der Jungpflanzen, den Aufforstungsarbeiten, dem Wildverbissschutz und der Pflege.
Kontakt und Preislisten: Tirol Landesforstgärten im Internet auf der Tiroler Landeshomepage;

Verbissbelastung: Langes Scheitern gar nicht gut im Klimawandel!
Auf das Problem, dass Mischbaumarten herausgebissen werden und mehr oder weniger reine labile Fichtenwälder entstehen, wird von Forstseite schon lange hingewiesen. Die Weißtanne trifft das besonders hart. In einer Vielzahl von Forschungsarbeit wird die Problematik dieses Faktors betont. Univ. Prof. Dr. Harald Vacik vom Institut für Waldbau der Boku Wien sprach bei der Tannentagung vom Ausfall bzw. dem Verzicht einer im Klimawandel potentiell sehr wichtigen Baumart auf großer Fläche. Ein teurer Wildverbissschutz ist nur eingeschränkt und kleinflächig durchführbar. Wenn man auf die Weißtanne und die Mischbaumarten in Zukunft nicht verzichten möchte, muss ein geändertes Wildmanagement wirken. Man will nicht verzichten, deshalb müssen endlich konsequent Maßnahmen gesetzt werden. Neben gesetzlichen Vorgaben und zu verbesserter Umsetzung müssen im Jagdsystem, bei dem tendenziell die Bestände der drei jagdlich fokussierten Arten von Reh-, Gams- und Rotwild aufgehegt werden, grundsätzliche Änderungen vorgenommen werden. Die Grundbesitzer, die zu stark auf den Jagdpacht „schielen“, müssen förderungstechnische und rechtliche Nachteile spüren. Sie könnten als Verfüger über das Jagdrecht viel mehr bewirken. Ein weiteres Scheitern im Wildmanagement wäre gar nicht gut für unsere Wälder im Klimawandel. Die Bedeutung der Schutzwirkungen nehmen für uns alle weiter zu!

Thomas Ölz, 10.10.2025

Zapfenernte bei der trockenresistenten Weißtanne in Niedergallmig bei Landeck.
In einem ersten Schritt wird bei einer Probe kontrolliert, ob im Zapfen ein entsprechender Samenertrag erwartet werden kann.
Eingezäunte „Klimainsel“ in Fließ bei Landeck. Zukunftsbaumarten wie die Weißtanne oder Eichen werden angepflanzt und für die Zukunft gesichert.